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Gute Resonanz auf ersten Steinburger Psychiatrie-Fachtag

Gut besucht war der erste Steinburger Psychiatrie-Fachtag am 26. November im Kreistagssaal. Der Arbeitskreis Gemeindenahe Psychiatrie hatte interessierte Fachleute und Erfahrene zu einer Vortragsreihe zu den Themen „Vermeidung von Zwang“ und „Persönliches Budget und Bundesteilhabegesetz“ eingeladen.

Den Auftakt machte Dr. Volkmar Aderhold mit seinem Vortrag „Der offene Dialog – Krisen mit dem sozialen Netzwerk der Betroffenen überwinden – Soziale Inklusion fängt schon mit der ersten Krise an“.  Der Psychiater aus Hamburg warnte vor einer Ökonomisierung und Privatisierung psychiatrischer Angebote. Es sei jetzt Vorsicht geboten, es gebe nur noch ein kurzes Zeitfenster, in dem man eine Entwicklung aufhalten könne, die weggehe von individuellen Angeboten, die die Selbstbestimmung fördern und die Patienten mit Respekt und Wertschätzung achten, hin zu einer entmenschlichten Psychiatrie der Großkonzerne, die sich in Kliniken und Einrichtungen einkaufen.
Andreas Wagner, Richter am Amtsgericht Itzehoe, erläuterte in seinem Vortrag die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.07.2018 und die Auswirkungen für Psychiatrie-Patienten in Schleswig-Holstein. Die Verfassungsrichter hatten entschieden, dass Fixierungen, also das Fesseln eines Patienten mit Gurten am Krankenbett, nicht ohne richterliche Genehmigung von Ärzten angeordnet werden dürfen. Eindringlich machte Wagner klar, wie schwerwiegend solche Maßnahmen für Patienten seien. Fixierungen schränken die Bewegungsfreiheit nicht nur ein, sondern sie entziehen dem Patienten jegliche Bewegungsfreiheit. Zurzeit laufen Gespräche mit dem Gesundheitsamt, um das konkrete Vorgehen, insbesondere im Hinblick auf die Erreichbarkeit einer richterlichen Rufbereitschaft, zu klären, damit die aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts resultierenden Anforderungen möglichst gut im Kreis Steinburg umgesetzt werden können. Zu klären sei auch noch, ob das Gesundheitsamt oder der Arzt der Klinik, in der die Fixierung stattfinden soll, den Antrag auf Genehmigung der Fixierung stellen soll. Wagner favorisiert das Gesundheitsamt als Antragsteller und beruft sich auf Dr. Jörg Grotkopp, Direktor des Amts-gerichts Segeberg, der die Verfassungsrichter gutachterlich beraten hat. Insgesamt, so Wagner, sei das Urteil als großer Erfolg für psychiatrische Patienten zu werten. Nun sei die Politik gefragt, das Schleswig-Holsteinische Psychisch-Kranken-Gesetz entsprechend anzu-passen.
Tobias Gros, Rechtsanwalt aus Hamburg, erläuterte in seinem Vortrag die Veränderungen, die mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes auf Menschen zukommen werden, die sozialpsychiatrische Versorgungsangebote nutzen. Die Leistungen werden in einzelne Bau-steine zerlegt. So könne man zum Beispiel zur Miete in einem Wohnheim wohnen. Das Wohnen sei dann Einzelleistung, das Betreuungsangebot der Einrichtung sei aber nicht darin enthalten. Es könne theoretisch auch von einem anderen Anbieter erbracht werden. Dadurch würden die Hilfen individueller an den Einzelfall angepasst, der Verwaltungsaufwand sei aber erheblich. Die Betroffenen würden kaum in der Lage sein, die erforderlichen Hilfen ohne Un-terstützung zu koordinieren.
Über die Bedeutsamkeit persönlicher Netzwerke im Hinblick auf die Unterbringungsvermei-dung sprach dann Gabriele Kluge, Diplom-Sozialpädagogin beim Sozialpsychiatrischen Dienst in Itzehoe, die den Vortrag für ihre erkrankte Kollegin Saskia Weifenbach übernahm. Sie hob hervor, dass ein gut vernetztes Versorgungssystem, das auch Angehörige einbezieht, zu vermeiden helfe, dass aus Krisen psychiatrische Notfälle werden. Unterbringungen gegen den Willen eines Patienten im Namen der Selbstbestimmung zu vermeiden, dürfe aber nicht heißen, nicht tätig zu werden. Menschen in der Krise dürfen nicht sich selbst überlassen wer-den, sondern bedürfen einer engen Krisenbegleitung. Gabriele Kluge hob die gute Zusammenarbeit zwischen dem Sozialpsychiatrischen Dienst und dem Hometreatment des Zentrums für psychosoziale Medizin hervor. Das Hometreatment ist ein multiprofessionelles Team, das Menschen in akuten Krankheitsphasen im eigenen Wohnraum behandelt.
„Der erste Steinburger Fachtag ist rundum gelungen,“ freut sich Gastgeberin Ulrike Gundlach, Geschäftsführerin des Arbeitskreises Gemeindenahe Psychiatrie. „Wir hätten nicht mit so vielen Anmeldungen gerechnet und freuen uns, dass diese wichtigen Themen so großen Zuspruch erfahren haben.“ Schon im nächsten Jahr soll es wieder einen Steinburger Psychi-atrie-Fachtag geben.

(Text: Gabriele Kluge)

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